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Koslovskis Friedhof

Koslowskis Weg führte immer an der Kirche und der Friedhofsmauer vorbei. Aber noch nie hat er die Kirche und schon gar nicht den Friedhof betreten. Er hat es bis jetzt immer verstanden dem aus dem Weg zu gehen. Vor Friedhöfen hatte er schreckliche Angst und stellte sich jedes mal vor, wie die Toten plötzlich mit ihm reden wollten. Und so erschreckte er sich immer furchtbar, wenn

Eine Kurzgeschichte: Koslovskis Friedhof

von Knut Richter

Koslowskis Weg führte immer an der Kirche und der Friedhofsmauer vorbei. Aber noch nie hat er die Kirche und schon gar nicht den Friedhof betreten. Er hat es bis jetzt immer verstanden dem aus dem Weg zu gehen. Vor Friedhöfen hatte er schreckliche Angst und stellte sich jedes mal vor, wie die Toten plötzlich mit ihm reden wollten. Und so erschreckte er sich immer furchtbar, wenn ihn jemand über die Friedhofsmauer hinweg grüßte. Das dieser Jemand dann meistens auch noch der Pfarrer war, machte die Sache für Ihn auch nicht angenehmer.

Doch dieses mal musste er hineingehen. In die Kirche und auf den Friedhof. Schon seit dem Morgen hatte er deshalb heftige Magenkrämpfe und Schweißausbrüche. Aber dieses mal konnte es Koslovski nicht vermeiden. Die Frau seines Bruders war gestorben und heute ist die Beerdigung.

Evi war lange Zeit krank. Und alle waren der Meinung, das es für Sie eine Erlösung gewesen wäre. Dieser Krebs wäre nicht heilbar, haben die Ärzte gesagt.

Nur war Koslovski da ganz anderer Meinung und hatte sich deshalb mit seinem Bruder heftigst gestritten.

Er setzt sich auf die Parkbank am Eingang des Friedhofs. Koslovski hängt seinen Gedanken nach. Er stellt sich vor, wie seine Schwägerin während der Beerdigung plötzlich aufwacht, aus dem Sarg steigt und einfach nach Hause geht.

„Komischer Gedanke“ sagt er sich. Aber einen gewissen Charme hat der Gedanke. Dann diese ganzen verdutzten Gesichter zu sehen, wäre sicher eine große Genugtuung.  Das hätte Evi sicher auch gefallen.

Er schwitzt. Die Sonne meint es heute ziemlich gut. Sein dunkler Anzug macht die Sache nicht gerade angenehmer. Zumal er sich noch Zeit lassen kann, weil er viel zu zeitig losgegangen ist. Er schmort in der Sonne. Und hängt seinen Gedanken nach.

Evi war schon eine tolle Frau. Sein Bruder hat immer nur gearbeitet und Evi all seine Eskapaden ertragen. Seine Marotte, zu Hause immer nur in Arbeitsklamotten herumzulaufen. Unrasiert und fern der Heimat, wie Sie sich immer ausdrückte. Dazu seine Geldgier und Egoismus. Sie wäre ganz sicher gern mal in ein Konzert gegangen und hätte sich über einen Strauß Blumen von Ihm gefreut. Statt dessen gab es Schmuck, den Evi nur tragen durfte, wenn es zu einer Familienfeier ging.

Evi ertrug das alles. Sogar sein Fremdgehen hat Sie versucht zu vertuschen. Koslovski hat das bis heute nicht verstanden. Welch eine Erniedrigung muss das für Sie gewesen sein…. doch Evi hat Ihren Frust immer in sich hinein gefressen. Für Koslovski steht fest, das Evi deshalb Krebs bekommen hat. Das kann gar nicht anders sein.

Als Koslovski Sie mal gefragt hat, warum Sie sich das antut, hat Sie nur mit den Schultern gezuckt und ist im Garten Wäsche aufhängen gegangen. Den Wäschekorb hat sie dabei so fest gehalten, das der Griff zerbrach. Sie hat sich nicht zu ihm umgesehen. Und er meinte, sie weinen zu hören. Diese Bild hat sich tief in Koslovskis Hirn gefressen. Doch auch er blieb stumm. Wusste nicht was er Ihr Raten wollte. Raten sollte. Und er macht sich Vorwürfe, sich nicht genug um Sie gekümmert zu haben.

Und nun? Nun ist Evi über Ihren Kummer gestorben. Es gibt nichts mehr was er für Sie tun kann. „Wenn ich an Gott glauben würde, hätte ich die Hoffnung, Evi später mal im Himmel wiederzusehen.“ Doch er glaubt nicht an Gott. Die Welt ist Endlich.

Und Koslovski schaut auf. Er sieht die Friedhofsmauer, die Kirche und den aufgebahrten Sarg. Und er sieht, wie ein Kranz nach dem anderen vor den Sarg gelegt wird. So viel Anteilnahme wünscht er sich für die Lebenden. Wenn es statt der Kränze jetzt, jeden Tag in Evis Leben einen Blumenstrauß gegeben hätte…

Er dreht sich um und steht auf. „Ich komme später wieder Evi, ja später…“ Und geht nach Hause.

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