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Sprachliches vom fühlen und mitnehmen

Falschwörter: Vom fühlen und mitnehmen

Bestimmte Vokabeln, wie zum Beispiel fühlen und mitnehmen, werden von Medien und Politik gern missbraucht, um Botschaften an uns zu verschleiern, oder brutale Tatsachen kleiner zu machen, als diese sind. Ich nenne diese Vokabeln Falschwörter. Eine besondere Brillanz findet man beim verniedlichen von Tatsachen.

Alte Worte beibehalten, aber den Sinn ändern

Doch Sprache ist – zum Glück – Verräterisch. Doch man muss sehr genau hinhören- und sehen um diese verwendeten Floskeln zu enttarnen. Zwei Floskeln und Aussagen, die immer wieder auftauchen, wenn Politiker und Journalisten über diejenigen reden, die ihr Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben, sind abgehängt fühlen oder dass man sie „mitnehmen“ müsse. In diesen zwei Formulierungen kommt zum Ausdruck, wie die herrschende Sprache mit eigentlich oft harmlosen Worten, ganze Diskurse sabotiert.

In der Berichterstattung zu Menschen, die zum Beispiel von Hartz IV leben oder die nichts von der Politik erwarten, findet man im Mainstream immer wieder folgende Sätze. Es heißt dann, in Deutschland „gebe“ es Menschen, die sich abgehängt, benachteiligt, an den Rand gedrängt „fühlen“. Schnell kommt auch der Nachsatz, man müsse diese Menschen „mitnehmen“.

Aber: Menschen, die von Hartz IV leben, fühlen sich nicht abgehängt – sie sind abgehängt. Kinder, die in verarmten Haushalten leben, fühlen sich nicht benachteiligt – sie sind benachteiligt. Menschen, die für einen Mindestlohn in der Zeitarbeit schuften, fühlen sich nicht an den Rand gedrängt – sie sind es!

Wer nun trotz dieser Tatsachen nur davon spricht, dass diese Menschen so ein „Gefühl“ haben, beschönigt nicht nur die Realität, er verfälscht sie auch. Unterschwellig wird die Botschaft vermittelt: Das einzige Problem, das existiert, besteht darin, dass diese Menschen ihren Gefühlshaushalt nicht im Griff haben.

Diese Methoden praktizieren alle führenden Politiker, reputierte Journalisten, TV-Moderatoren in der Berichterstattung. Unzählige Male kam und kommt zum Vorschein, dass bereits in der verwendeten Sprache die soziale Wirklichkeit falsch erfasst und damit nicht einmal die faktisch existierenden sozialen Verwerfungen anerkannt werden.

Wenn man die Sprache so auseinander nimmt, sieht man, wie Desinformation in den Medien funktioniert. Auf eine geradezu paradoxe Weise gelingt es Journalisten, über Probleme zu reden, ohne über die Probleme tatsächlich zu reden. Oft wird zum Beispiel in Talkshows der Fokus auf diejenigen gelegt, die Arm sind. Aber die Journaille bedient sich dabei einer Sprache voller Implikationen, die eine saubere journalistische Erfassung der Probleme nicht ermöglicht. Man spricht einfach von Abgehängten, Grölern, Prekariat, das sich nur abgehängt fühlt und deshalb rumgrölt, weil es nicht erkennt, das es Prekariat ist.

Doch nicht nur die ‚Verwandlung‘ der Wirklichkeit in eine gefühlte Wirklichkeit verrät, wie durch Sprache gegen die Verlierer in diesem Land vorgegangen wird. Immer wieder ist zu hören, man müsse die Menschen mitnehmen. Vordergründig klingt die Formulierung vernünftig, vielleicht sogar lobenswert, aber vor allem: harmlos. Schließlich: Was soll schon verkehrt daran sein, wenn man ausdrücken möchte, dass man Menschen eben nicht „zurücklassen“ will?

Elitensprache zeigt sich immer möglichst wenig verdächtig und unbedenklich. Vorsicht ist immer angebracht. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich auch die Formulierung „mitnehmen“  als ein Ausdruck, der es geschickt vermag, das politische Interesse der Armen zu untergraben. In dieser Formulierung steckt, dass den Menschen, die unter dieser Politik leiden, die sich gegen sie stellt, der Status als vollwertige, ernst zunehmende politische Menschen abgesprochen wird.

Die Formulierung „mitnehmen“ soll auch sagen: Du warst nicht pünktlich an der Haltestelle. Selbst dazu warst Du zu blöd. Jetzt müssen wir wegen Dir anhalten. Du wirst ja merken ob wir so gut sind und wir für Dich anhalten. Neoliberale sagen das natürlich freundlicher: Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer es zu nichts bringt, ist selbst schuld.

„Mitnehmen“ muss man Kinder, die auf ihren Schulbus warten. Erwachsene, mündige Bürger, die wegen schwerwiegender politischer Fehlentscheidungen, die mit Vorsatz gegen sie gerichtet waren und sind, nur die Option auf das Leben in der Prekarität bleibt, müssen nicht wie kleine unmündige Kinder „mitgenommen“ werden.

Quellen:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=40414

https://www.duden.de/rechtschreibung/mitnehmen

https://lasno.de/propaganda-und-luege/

Hier gibt es eine kleine Sammlung der Falschwörter: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2087

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