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Politik Verbraucherschutz Weiß nicht ob das Sinn macht

Von der Steuer-ID zur Bürgernummer

Anfang der 80er-Jahre gab es wegen der Volkszählung noch Proteste, heute geben wir private Daten von ganz alleine preis. Der Staat will immer mehr Daten über uns sammeln, die Gegenwehr der Bürger und Bürgerinnen ist praktisch bei NULL.

Jetzt hat jetzt der Bundestag die Steuer-ID als übergreifendes „Ordnungsmerkmal“ und Personenkennziffer etwa für Melde- und Fahrzeugregister gesetzlich festgeschrieben.

Der Bundestag hat damit den entscheidenden Schritt bei der Umsetzung des ID2020-Projekts von Microsoft, Accenture und Rockefeller Stiftung getan.

Digital Identity Alliance – ID2020 und ihre Geldgeber

Die Digital Identity Alliance, die auch unter dem Kürzel ID2020 firmiert, strebt laut eigener Aussage die Schaffung weltweit gültiger digitaler Identitäten an. Damit sollen sich Menschen über Grenzen hinweg identifizieren können und gleichzeitig die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben. Das Ziel sei eine personalisierte, portable, biometrisch verbundene digitale Identität, die lebenslang besteht. Gründungspartner sind u.a. Gates‘ Firma Microsoft, die von der BMGF mit hohen Summen finanzierte Impfallianz GAVI, die auch in die Berateraffäre der Bundeswehr verstrickte Unternehmensberatung Accenture sowie die Rockefeller Foundation, eine der größten Stiftungen der USA. Das Projekt wird darüber hinaus vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen unterstützt, welches wiederum von der BMGF im Jahr 2020 mit 50.000 US-Dollar finanziert wird.

Kritik von Bürgerrechtlern

Die Kennung kann künftig als übergreifendes Ordnungsmerkmal und Personenkennzeichen in gut 50 besonders relevanten Datenbanken von Bund und Ländern inklusive der Fahrzeug- und Melderegister genutzt werden.

Die Registermodernisierung soll über eine Art übergreifende Suchmaske erfolgen. Um den gewünschten Datensatz anhand von Basisdaten wie Name und Anschrift in unterschiedlichen staatlichen Verzeichnissen finden zu können, ist eine Personenkennziffer nötig. Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern hatte hier empfohlen, auf die Steuer-ID aufzusetzen und diese „um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement“ nötigen Elemente zu ergänzen.

Besserer Service für Bürger als Vorwand

Die Abgeordneten erachten das Vorhaben als wichtigen Schritt, um das Onlinezugangsgesetz (OZG) umzusetzen und mehr Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren. Wesentliche Voraussetzung dafür sei, dass Daten und Nachweise elektronisch übermittelt werden könnten. Dies solle nicht immer wieder neu geschehen, sondern im Einklang mit EU-Vorgaben „once only“. Dabei müssten Personenverwechslungen ausgeschlossen und die betroffenen Bürger im E-Government eindeutig identifiziert werden können.

Massive verfassungsrechtliche Bedenken

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, Forscher, Sachverständige bei einer parlamentarischen Anhörung und die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern brachten massive verfassungsrechtliche Einwände gegen die Initiative vor. Der Bundesrat hält die Nutzbarkeit der Steuer-ID insgesamt für gefährdet.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit geurteilt, dass es dem Grundrecht auf Privatsphäre widerspricht, wenn der Staat eine Datenbank schafft, in der alle Daten zu einer Person versammelt sind. Denn das ermöglicht ein umfassendes Persönlichkeitsprofil, das weit über das für die einzelne behördliche Anwendung nötige Wissen hinausgeht.

Weitere Sicherungen? Nun wird getrickst!

Die Regierung will dieses Problem mit einem Trick umschiffen, mit dem Cookie-Banner-Prinzip der Vorspiegelung von freiwilliger Einwilligung. Die Nutzung dieses Prinzips für Überwachungszwecke haben Weltwirtschaftsforum und Accenture, zusammen mit der US-Heimatschutzbehörde mit ihrem Known-Traveller-Digital-Identity-Projekt propagiert und seither wird es an vielen Stellen in Deutschland, Europa und der Welt entsprechend eingesetzt.

Bundesregierung sieht keine Probleme

Die Bundesregierung sah hingegen schon mit ihrem Entwurf das informationelle Selbstbestimmungsrecht gewahrt. Sie verwies auf das „4-Corner-Modell“. Demnach sollen Daten nicht zwischen Behörden direkt getauscht, sondern über einen Mittelsmann fließen. Über ein „Datencockpit“ werde es zudem für die Bürger nachvollziehbar, welche Behörde wann aus welchem Grund auf welche Informationen zugegriffen habe.

Die Verarbeitung der Identifikationsnummer ist demnach nur „zu Verarbeitungen zur Erbringung von Verwaltungsleistungen“ nach dem OZG „auf Grund von Rechtsvorschriften oder mit Einwilligung der betroffenen Person sowie zum Zwecke eines registerbasierten Zensus“ zulässig. Der Bundestag soll zudem durch ein formelles Gesetz entscheiden, ob weitere Register die ID verarbeiten dürfen oder die Verarbeitungsbefugnis bei anderen aufzuheben ist.

Aus der Liste der für eine virtuelle Vernetzung vorgesehenen Datenbanken gestrichen haben die Abgeordneten das Schuldnerverzeichnis, das Insolvenzregister, das Rechtsdienstleisterregister, das Liegenschaftskataster sowie Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern.

Kein Schutz vor übergreifendem Profil

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch eine Verordnung die Anzahl und die Abgrenzung der Sektoren zu bestimmen, in denen Daten zusammengeführt werden dürfen. Dies habe so zu erfolgen, „dass das Risiko, bezogen auf die einzelne Person ein vollständiges Persönlichkeitsprofil durch Datenübermittlungen innerhalb eines Bereichs zu erstellen, wirksam begrenzt wird“. Ein übergreifendes Schattenbild wird damit aber nicht ausgeschlossen. Allein der geplante Bereich „Soziales“ soll von der Rente über die Krankenversicherung bis zur Jugendhilfe reichen.

Die einmaligen Umstellungsaufwände der betroffenen Behörden schätzt die Regierung auf „insgesamt bis zu 300 Millionen Euro“. Dazu sollen Umsetzungskosten in den ersten vier Jahren von rund 108 Millionen Euro kommen.

So soll die „Bürgernummer“ funktonieren

Bei der Bürgernummer ist es so, dass die Bürger Ihre Zustimmung geben müssen, damit Behörden die Daten von anderen Behörden abfragen dürfen. Aber wie Freiwillig gibt man gegenüber einer Behörde seine Daten heraus? Was tut man, wenn man vor die Wahl gestellt wird, entweder freiwillig zum Beispiel Steuerdaten herauszugeben, oder eben auf Herz und Nieren geprüft zu werden (weil man ja bestimmt etwas zu verbergen hat)?

Ganz abgesehen davon ist es ja Usus, Datenschutz Schritt für Schritt zu reduzieren. Zuerst wird die Daten-Infrastruktur aufgebaut, aber mit Zugangshürden zu den Daten versehen. Erst im zweiten Schritt und bei nächster Gelegenheit, werden diese Hürden dann mehr oder weniger allmählich abgebaut.

Bei der Einführung der Steuer-Identifikationsnummer 2008 wurde uns gesagt: “Diese Nummer wird ausschließlich zu steuerlichen Zwecken genutzt”. Versprechen gebrochen. Wie war das mit dem Versprechen, Maut-Überwachungsdaten nur zur Maut-Erhebung zu nutzen, als sich die Gelegenheit bot, Nummernschilder zu erfassen und Verkehrsverstöße mit den Daten abzugleichen? Solche Beispiele gibt es viele.

ID2020-Projekt wichtig für die globale Überwachung

Das ID2020-Projekt mit den weltweit einheitlich lesbaren, biometrisch eindeutig unterlegten Identifikationsnummern ist gerade und vor allem für die globale Bevölkerungsüberwachung über Ländergrenzen hinweg von zentraler Bedeutung. Denn, während das Problem der eindeutigen Identifikation innerhalb Deutschlands ein Randproblem ist, das kaum die Einführung so einer verfassungsrechtlich problematischen zentralen Nummer für alles rechtfertigt, sieht das grenzüberschreitend ganz anders aus.

Für die automatisierte Schleppnetzüberwachung von Milliarden Menschen sind NSA, Microsoft, Facebook und andere Organisationen und Unternehmen mit entsprechenden Ambitionen zwingend darauf angewiesen, eindeutige Identifikatoren zu haben. Nur so können sie die Informationen, die es in vielen tausend verschiedenen Datenbanken über all diese Menschen gibt, verlässlich zusammenführen. https://norberthaering.de/die-regenten-der-welt/bundestag-buergernummer/

Der Weg in den Überwachungskapitalismus

Das Hauptproblem ist längst nicht mehr der traditionelle Überwachungsstaat, sondern der konzerngetriebene Überwachungskapitalismus. Was passiert, wenn die Bürgernummer einmal für alle staatlichen Anwendungen etabliert ist? Es wird das gleiche sein, was in anderen Ländern auch passiert ist und passiert. Die Privaten übernehmen das Angebot dankend. Überall wird dann ein Feld zum Eintrag der Bürger-ID auftauchen. Wenn dann irgendwann die meisten privaten Unternehmen ihre Konsumenten mit ihrer Bürgernummern in den Datenbanken haben, sind diese Datenbanken ganz simpel und zuverlässiger als jetzt zusammenführbar.

Schon heute kaufen Datenhändler alle möglichen Daten über uns aus allen möglichen Quellen auf und fügen sie zu sehr umfangreichen Dossiers über die Mehrzahl der Bürger zusammen. Dossiers, die praktisch jeder haben kann, der das Geld dafür zahlt. Solange die sichere automatische Identifizierung nicht gewährleistet ist, sind diese Dossiers allerdings nur begrenzt zuverlässig. Einzeln sind diese Daten Goldstücke, zusammengeführt ein Schatz.

Quellen:

Von der Steuer-ID zur Bürgernummer
Von der Steuer-ID zur Bürgernummer

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