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Weiß nicht ob das Sinn macht

Die Gesalbten des politischen Moralismus

Immer weniger Menschen trauen sich offen ihre ehrliche Meinung zu sagen. Das war schon vor der großen, als Pandemie gemachten, großen Übung so. Doch inzwischen wird über manche Themen nur noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Und diese Verhalten ist nicht unbegründet.

Vor kurzem wollte ich mein Büro mit einem hochwertigen Möbelstück aufwerten und ging aus diesem Grund zu einem Fachhändler.

Wie ich zu meiner Freude feststellte, wird das Geschäft gleichberechtigt von einem Ehepaar geführt. Ich spürte sofort die Einigkeit der Beiden, was ich als sehr angenehm empfand. Es lag eine positive Spannung in der Luft. Zugegebenermaßen mag ich es, wenn Paare auf Augenhöhe agieren und sich gegenseitig stützen. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Ich mag auch die Anonymität der Möbelhäuser nicht. Doch hier, in diesem relativ kleinen Geschäft, fühlte ich mich sofort gut aufgehoben.

Wir kannten uns noch nicht und dementsprechend klopften wir erst mal vorsichtig ab, was der andere so möchte. Wir schauten uns die vorhandenen Möbel an. Und nachdem ich zugeben musste, dass ich nicht weiß, was das richtige für mich ist, bekam ich eine Beratung, die wirklich exzellent war.

Eigentlich war es ganz einfach. Denn den Stuhl, den mir die freundliche Dame vorführte, benutzen die Beiden selbst seit vielen Jahren. Ich glaube, wenn man die Zwei mitten in der Nacht wecken würde und fragen würde, was sie für einen Stuhl empfehlen können, dann wäre es genau dieser.

Dann ging es zur Farbauswahl. Ich meinte Rot und Grün geht gar nicht, aber Blau, bzw. Türkis würde mir gefallen.

„Rot und Grün gemischt ergibt Braun.“ Der gute Mann sagt es mit einem Zwinkern. Und ich erwiderte: „Stimmt. Aber manchmal reicht dafür auch eine Farbe. Es ist nur eine Frage der Betrachtung.“

„Ich kann mir denken was sie meinen. Aber man muss ja heutzutage aufpassen, wem man was erzählt. „

„so wie es aussieht, denken wir da sehr ähnlich. Mich erinnert es an früher in der DDR. Da musstest du auch ständig aufpassen. Man ist das nur nicht mehr gewöhnt.“

Nach dieser kurzen Einführung, ging es um unseren grünen Bürgermeister und dem was er so tagtäglich verzapft. Mit irrewitzigen Fahrradsteifen, Verkehrsversuchen und dem ungleichbehandeln der Straßenbenutzer. Wir machten uns beide ordentlich Luft. Wobei wir am Ende feststellten, dass wir das ganze Chaos wahrscheinlich nicht ändern können. Denn Leute wie dieser Herr in Grün werden ja nicht von uns gewählt, sondern von anderen eingesetzt, nachdem sie ideologisch überprüft wurden. „Alles wie früher“ sagte ich. Er nickte nur kurz.

„gehen sie wählen?“ Fragte ich.

„…nur noch diesmal. Dann entscheide ich neu.“

Politischen Einfluss erkenne ich immer weniger in dieser Zeit. Stattdessen fast überall eine politische Dimension. Und die ist zunehmend erdrückend zu spüren.

Es muss kein Einfluss mehr ausgeübt werden, sondern die politische Dimension wirkt zunehmend und in einem unterschiedlichen Ausmaß des Bewussten in allen öffentlich wirksam handelnden Beteiligten. Erdrückend oder häufig schon fast erstickend wirkt das Politische deshalb, weil es zu einem großen Teil nicht mehr sachliche oder fachliche Interessen von Beteiligten an den öffentlichen Angelegenheiten zum Gegenstand der Betrachtungen hat, sondern nur noch in pseudomoralischen wechselseitigen Bestätigungen gefangen ist.

Als erstes erfolgt eine Einsortierung der Person in ein Gut-Böse-Raster, um das eigentliche Thema erörtern zu können. Dieser Meinungsaustausch fällt dann aber meist aus, weil die inhaltlichen Positionen der schon aussortierten Personen nicht mehr moralkonform gehört werden können. Der Diskurs braucht deshalb nur noch eine logische Sekunde, meist in irgendeiner Redaktion die man die öffentlichen guten nennt, in der das Urteil über die Gesinnung der Diskutanten festgelegt wird. Statt über das Thema, wird dann nur noch von dem moralischen Urteil berichtet. Die wahrscheinlich älteste Vokabel, die die Verurteilung signalisiert, lautet „umstritten“, nach dem einzigartigen Wort „Verschwörungstheoretiker“. Wer sich in Folge der Verurteilung nicht sogleich anschließt, den ereilt die gleiche Beurteilung zumindest dann, wenn er nicht selbst zu den Gesalbten gehört, die selbst moralische Urteile fällen können. Wer sich aber anschließt, dem bleibt vorerst eine Gesinnungsprüfung erspart und: er gehört weiter dazu.

Von so Einigen werden diese Diskursregeln als erdrückend empfunden. Viele oder vielleicht sogar die meisten haben Instinkte entwickelt, wie sie die richtige Haltung intuitiv erkennen und sogleich als ihre eigene Auffassung entdecken. Es werden zwar immer mehr, die diese dem postmodernen Denken entstammenden geistigen Mechanismen als Tribalismus empfinden, aber diese Dimension des Politischen wird uns wohl noch eine Zeit lang lähmen.

Dabei bleibt folgendes zu beachten: die Gedanken sind frei, niemand kann sie erraten, doch du musst sie auch nicht jedem verraten. Ein Wortspiel kann helfen, das richtig zu checken, wem wir was sagen und wann wir es lassen.

Ideologisch Verbohrte kann niemand überzeugen. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.

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